#JAber —
Ein grau kariertes Hemd, lange geflochtene Zöpfe und ein entschlossener Blick. Kaum einer vermutete im Dezember 2018 hinter dieser Beschreibung ein Mädchen, welches mit ihren Worten bald schon den wichtigsten Politiker*Innen der Welt die Spiegel vorhält. Äußerlich wirkt die 15-jährige entspannt und ganz und gar nicht so, als ob sie eine Rede auf der wichtigsten Tagung der UN halten wird.
Greta Thunbergs Worte auf der 24. UN-Klimakonferenz in Katowice haben in den letzten 15 Monaten so einiges in Gang gesetzt. Schüler*innen weltweit sind seither freitags auf der Straße und demonstrieren nach dem Vorbild der jungen Klimaaktivistin für eine bessere Klimapolitik. Länder und Städte in Europa riefen den „Klimanotstand“ aus. Und die Bundesregierung beschloss ein Klimaschutzprogramm bis 2030: Das sog. Klimapaket.
Eine kleine Rebellin mit einer Idee für eine bessere Welt schaffte ein größeres Bewusstsein für Klimaschutz, als Umweltverbände und Kampagnen es bisher erreichen konnten. Dabei war ihre Rede auf der Klimakonferenz in Katowice nur der mediale Höhepunkt, denn die junge Schwedin demonstrierte schon seit August 2018 jeden Freitag in ihrer Heimat für eine bessere Klimapolitik. Ihr „Schulstreik fürs Klima“ machte sie zu einer Klimaschutzaktivistin.
Katowice, Bonn, Marrakesch, Paris – Von 2015 an waren diese Städte die letzten Tagungsorte der UN-Klimakonferenzen. In vier Jahren verhandelten schätzungsweise insgesamt 45.000 Delegierte darüber, wie die Erderwärmung möglichst auf unter zwei Grad begrenzt werden könnte. Die Tagung 2015 in Paris gilt in dieser Aufzählung als Meilenstein, denn es konnte ein gültiger Vertrag verhandelt werden, den 175 Staaten später unterzeichneten. Doch nicht nur auf der herkömmlichen Bühne politischer Öffentlichkeit wird gegen den Klimawandel protestiert, auch digital regt sich schon seit einigen Jahren immer wieder Protest verschiedener Gruppierungen. Netzrebellen – sogenannte „Hacktivisten“ – nutzen ihr Know-How um im Netz Protest zu verbreiten. Als Beispiel gilt das Internetphänomen „Anonymous“, eine kollektive Tarnidentität, die von Gruppierungen oder auch Einzelpersonen innerhalb der Netzkultur verwendet wird. Als bei den Pariser Protesten im Zuge der Klimakonferenz Ende November 2015 die Polizei 208 Demonstranten verhaftete, reagierten die „Hacktivisten“ von Anonymous direkt: Durch eine Sicherheitslücke gelang es ihnen, von der Internetseite der UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change ), also dem Sekretariat, das die Umsetzung des Klimaabkommen begleitet, sensible Daten über Beamte sämtlicher Ländervertretungen weltweit zu stehlen. Passwörter, Korrespondenzen, Telefonnummern und Adressen. Mit der Veröffentlichung dieser Daten wollten die Netzrebellen nicht nur auf die Polizeigewalt gegen die Demonstranten von Paris aufmerksam machen, sie äußerten dadurch auch ihre Unterstützung für die Klimaschützer.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgte bereits vor der berühmten Rede von Greta Thunberg ein Team um Nick Beglinger. Nick Beglinger war Präsident des Schweizer Wirtschaftsverbandes Swisscleantech und will mit der Vernetzung global tätiger Unternehmen eine nachhaltigere Wirtschaft. Bei der Klimakonferenz 2017 in Bonn versuchte der damals 48-jährige Schweizer, mit seiner Initiative „#hack4climate“ digitale Lösungen zum Klimaschutz zu finden. Er versammelte auf einem sogenannten „Heckathon“ Soft- und Hardwarespezialisten, um mit ihnen herauszufinden, wie Digitalisierung, Vernetzung und künstliche Intelligenz aktiv beim Klimaschutz helfen können. Als Rebell und Querdenker schaffte es Beglinger, unterschiedlichste Vertreter aus Wirtschaft, Technik und Umweltverbänden an einen Tisch zu bringen, und zeigte damit, dass sich Wirtschaftsinteressen und Umweltschutz nicht ausschließen – ja sogar ein gemeinsames Ziel verfolgen können. Auch 2018 in Katowice, als Greta ihre Rede hielt, war ein Team von „#hack4climate“ wieder vor Ort, um über die Vielzahl an Möglichkeiten zu informieren.
Aber auch deutsche Netzaktivisten sehen sich in der Verantwortung zu handeln. Mitglieder des Chaos Computer Clubs (“CCC“) bringen sich aktiv in die Umsetzung der „Fridays for Future“-Demos ein. Über die Initiative „hackers against climate change“ informieren sie über den Menschen gemachten Klimawandel und die bislang erfolgreich organisierten Demos. Sie zeigen auf, wie man sich im Netz klimafreundlich bewegen kann und werben für die Teilnahme an den Demonstrationen der „Fridays for Future“-Bewegung. Eben jener freitäglichen Demonstration dessen Vorbild ein junges Mädchen aus Schweden prägte und als Rebellin große mediale Aufmerksamkeit erlangte.