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Geo-Engineering ist der Versuch der Wissenschaft, mit technischen Verfahren in das Ökosystem der Erde einzugreifen, um mögliche Folgen des Klimawandels zu minimieren. Der Plan ist, das Ökosystem zu „hacken“, es zurücksetzen oder Fehler einfach zu löschen. Ideen dazu gibt es viele, aber so logisch diese auch klingen mögen, keines der Verfahren verspricht ein risikofreies Ergebnis.
Die nachweisbare Erwärmung unserer Erde setzt unaufhaltsame Kettenreaktionen in Gang. Unsere wichtigsten „Schutzschilde“, die eisbedeckten Pole, schmelzen schneller als vorausgesagt und lassen dadurch nicht nur den Meeresspiegel schneller ansteigen. Durch die kleiner werdende Oberfläche des Eises wird immer weniger Sonnenstrahlung reflektiert, sie trifft stattdessen auf Meeres-, Luft- und Landmassen, was deren Erwärmung beschleunigt.
Der niederländischen Geowissenschaftler Johannes Oerlemans von der Universität Utrecht hat einen interessanten Lösungsansatz entwickelt, um das zu verhindern: Die künstliche Beschneiung der Arktis. Durch riesige Pumpen und Schneekanonen soll das abgeschmolzene Eis durch Schnee ersetzt und somit die reflektierende Oberfläche wieder vergrößert werden. In Modellrechnungen wurde jedoch ein enormer Energiebedarf festgestellt, herstellbar mit der Leistung von 12.000 Windrädern.
Ein Eingriff dieser Größenordnung in das sensible Ökosystem der Arktis würde aber massive Auswirkungen auf deren Tier- und Pflanzenwelt haben. Und: ob der gewünschte Effekt auch tatsächlich eintreten wird, kann letztlich nicht garantiert werden.
Professoren der University of Washington verfolgen mit ihrem Projekt „MarineCloud“ eine ähnliche Strategie. Doch anstatt Schnee sollen künstlich erzeugte Wolken den reflektierenden Effekt bringen. Auf hoher See sollen spezielle Schiffe fein zerstäubtes Meerwasser in den Himmel sprühen und somit die Bildung von Wolken ermöglichen. Deren Oberfläche soll die Sonnenstrahlen reflektieren und ins All zurückleiten, und somit ein weiteres Aufheizen des Meeres verhindern.
Auch hier wäre eine große Menge an Schiffen und Energie nötig, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Und die Folgen könnten noch weitaus gefährlicher sein, denn letztlich kann niemand voraussagen, wo diese Wolken ihr gebundenes Wasser wieder frei geben würden. Möglicherweise würde der sensible globale Wasserkreislauf nachhaltig geschädigt werden. Daher gibt es bislang auch für diese Idee nur Laborversuche.
Eine weitere, sehr umstrittene Idee ist das Verteilen von Schwefelpartikeln in der Stratosphäre. Vorbild dafür sind Erkenntnisse von Vulkanausbrüchen der jüngeren Vergangenheit. Bei einem Ausbruch werden große Mengen Asche und Staub in den Himmel geschleudert. Diese Aschewolken haben einen kühlenden Effekt auf die Erde.
In dieser Geo-Engineering-Theorie will man Aschewolken durch ausgebrachte Schwefelpartikel künstlich herstellen, um riesige Schutzschilde in der Stratosphäre anzulegen. Nicht bekannt ist aber, welche Wechselwirkungen zwischen dem entstandenen Schwefeloxid und der Stratosphäre selbst stattfinden könnten.
Der Nobelpreisträger und Atmosphärenforscher Professor Paul Crutzen, der diese Idee formuliert hat, trotzt in einem Spiegel-Interview seinen Kritikern:
„Ich weiß, dass ich ein Tabu gebrochen habe. Natürlich wird das ein hässliches Experiment. Verglichen mit dem Schmelzen des Polareises und dem Vordringen der Meere, aber womöglich das kleinere Übel.“
Gerade weil jedes Eingreifen in das komplexe System der Erde unvorhersehbare Folgen haben kann, lehnen sämtliche Länder dieses Verfahren ab. In Deutschland wurde allerdings im Oktober 2018 ein Gesetz zum „Maritimen Engineering“ verabschiedet. Es sieht vor, „unter sehr, sehr strengen Rahmenbedingungen“ und „nur zu Forschungszwecken“ Geoengineering-Experimente auf See zu erlauben.
Somit wäre allerdings der Weg frei, um ein weiteres Verfahren zu testen. Dies beschäftigt sich mit Speicherung von Co2 in Pflanzen. Bei Algen wurde nachgewiesen, dass durch Photosynthese große Mengen Co2 gebunden werden können. In einem Experiment von Wissenschaftlern des Kieler Helmholtz Institutes für Kilmaforschung, wird kaltes nährstoffreiches Meerwasser mit Pumpen an die Oberfläche gefördert und soll dort das Wachsen von Algen begünstigen.
Diese binden das Co2 aus der Luft und nehmen es bei ihrem Absterben mit hinunter auf den Meeresboden. An möglichen Folgen wird nun geforscht.
Doch eines haben sämtliche Ansätze zum Geo-Engineering gemeinsam: Die Manipulation des globalen Ökosystems ist nur ein möglicher Notfallplan und ersetzt keinen Klimaschutz. Die Reduzierung von Treibhausgasen muss immer noch oberste Priorität haben.
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsta.2014.0175
https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-antarktis-kunstschnee-1.4530755
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw42-de-geo-engineering-573272